Osteopathie
1. Formen
In der Osteopathie wird zwischen der parietalen, viszeralen und craniosacralen Osteopathie unterschieden.
Bei der parietalen Osteopathie gibt es inhaltliche Überschneidungen mit der Manuellen Medizin, wie sie in Deutschland üblich ist. Techniken sind zum Teil gleich (z.B. Manipulationen), zum Teil aber auch unterschiedlich (z.B. Faszien-, Kompressions- oder Holdtechniken).
Die Mobilität der inneren Organe beruht auf Atem- und Körperbewegungen und eigenen Funktionsbewegungen (zum Beispiel die Bewegungen des Dünndarms bei der Verdauung). Restriktionen der Muskulatur der Organe, des Parenchyms, der Sphinkteren, der Gleitflächen oder der Aufhängungen können Grund für Fehlfunktionen sein. Die Störungen der Mobilität der Organe wird mit mobilisierenden und Faszientechniken behandelt.
Eine der Grundlagen der CranioSacralOsteopathie (CSO) ist die Beobachtung, dass der Schädel sich rhythmisch weitet und verengt. Diese Bewegung, die ursprünglich als primärer respiratorischer Rhythmus bezeichnet wurde, wird nun in der Weitungsphase Flexion, in der Verengungs- oder besser Leerungsphase Extension genannt. Die Entstehung dieses Rhythmus wird am ehesten durch das Liquordruckmodell beschrieben. Dieser Rhythmus teilt sich dem gesamten Körper mit. Der Schädel weitet sich durch Bewegungen der Schädelknochen, die durch Drehachsen und Bewegungen innerhalb der Schädelknochen definiert werden. Das intracranielle Membransystem wirkt wie die Bewegung begrenzende Bänder und ist so ein stabilisierender Faktor, der die Drehachsen mitbestimmt. Diese Bewegungen werden durch den Duraschlauch der Wirbelsäule auf das Os sacrum übertragen. Ebenfalls teilen sie sich dem gesamten Körper mit. Ist eine Restriktion vorhanden, finden die Bewegungen nicht mehr idealtypisch statt. Die einzelnen Schädelknochen und das intracranielle Membransystem können untersucht und behandelt werden. Mobilisierende Techniken, Faszientechniken, Fluidtechiken und den Rhythmus beeinflussende Techniken stehen zur Verfügung.
Abb.: Bewegungsphysiologie (hier: Flexion) der Synchondrosis Sphenooccipitalis (aus: Rang/Höppner, CranioSacralOsteopathie, Hippokrates-Verlag, 3. Auflage 2002)
Auf den Rhythmus können Gelenkblockierungen, fasziale Störungen, viszerale Störungen oder andere Restriktionen bremsend oder modulierend wirken. Eine besondere pathologische Wertigkeit bei Restriktionen haben die Körperquerstrukturen (Tentorium, C0/C1, C3/Os hyoideum, Thoracic outlet, Zwerchfell, Beckendiaphragma, Plantaraponeurose). Hier findet sich eine Überschneidung zur Bedeutung der Übergangsregionen, die aus der konventionellen Chirotherapie bekannt sind.
Chapman-Reflexe: Durch Reizung von definierten Reflexpunkten kann auf vegetative Funktionen wie auch Funktionsstörungen positiv Einfluss genommen werden. Diese Reflexpunkte bzw. Zonen sind z. T. identisch mit Akupunkturpunkten bzw. Head- und Mackenzie-Zonen.
Faszientechniken bzw. Myofasziale Therapie: Eine Form der Faszienbehandlung ist durch die Brüder Huneke in die Naturheilverfahren eingeführt worden (Neuraltherapie). Da Narben und Keloide als überschießende Bindegewebsreaktion fasziale Störungen darstellen, ist aus osteopathischer Sicht der therapeutische Ansatz einer Infiltration einer Narbe mit dem Ziel einer Fernwirkung unmittelbar nachvollziehbar. Da Faszien unseren ganzen Körper durchziehen und formgebend sind, teilen sich Störungen innerhalb einer Faszie dem gesamten System mit und können an anderer Stelle Störungen erzeugen, auch dann noch, wenn sie nicht zur selben muskulären Kette gehören.
Die Untersuchung stützt sich auf das Phänomen, dass eine Restriktion die Spannungsverläufe der Faszien verändert. Jeder noch so kleine Druck, den der Therapeut mit seiner Hand in das Gewebe gibt, wird in Zugspannung umgewandelt. Dies gewährleistet den plastischen Formerhalt des Körpers (ähnlich einem Trampolin). Der Verlauf der Zugspannungen wird beurteilt und es wird untersucht, wo der Körper die Fähigkeit verloren hat, Druck in Zugspannung umzusetzen (Änderung des Endgefühls oder besser „Anfangs- und/oder Bewegungsgefühls“).
Nervenmobilisation: Ist die Gleitfähigkeit eines Nerven herabgesetzt, kann dies lokale, aber auch entferntere Beschwerden verursachen, meist im Verlauf des betroffenen Nerven. Die von Butler eingeführten Nervenmobilisationen wurden von Barral durch vorwiegend fasziale Behandlungstechniken der Hirnnerven und der peripheren Nerven erweitert.
Die Wirksamkeit dieser Technik hängt nicht von der angewendeten Kraft oder der Länge des ausgeführten Weges ab, sondern allein von der Schnelligkeit, Richtung und Intention der Intervention. So funktionieren auch Recoil-Manipulationen, bei denen an eine Bewegungsgrenze herangestellt und durch schnelles Loslassen oder Wegziehen ein manipulierender Effekt ausgelöst wird (durch plötzliche Entladung der ins Gewebe gegebenen kinetischen Energie).
Strain and Counterstrain (Jones): Am gesamten Körper finden sich Tenderpoints, meist 1/2 bis 1 cm im Durchmesser große Myogelosen als reflektorische Krankheitszeichen oder als ein Grund für Dysfunktionen. Diese von Jones beschriebenen Tenderpoints haben eine Beziehung zum gestörten Gelenk und sind je nach Funktionsstörung im betroffenen Gelenk an unterschiedlichen Stellen zu finden. In der Therapie wird die Position eingestellt, bei der der Tenderpoint verschwindet, bzw. nicht mehr schmerzhaft ist. Diese Position wird 90 Sekunden gehalten und dann langsam aufgelöst (Release by positioning).
3. Verwandte Verfahren
Applied Kinesiology: Goodheart hat ein System entwickelt, unterschiedliche Richtungen innerhalb der Osteopathie und einiger Aspekte der Naturheilverfahren zu integrieren. Zur Diagnostik wird meist folgendes Verfahren benutzt: Der stehende Patient wird aufgefordert, seinen Arm 90° abzuspreizen. Der Therapeut legt eine Hand oder einen Finger auf die zu testende Stelle, die zweite Hand auf den Unterarm des abgespreizten Armes. Nun drückt der Therapeut den Arm zu Boden, der Patient wird aufgefordert dabei gegen zu halten. Der Krafteinsatz des Patienten wird beurteilt und als schwach oder stark befundet. Der Krafteinsatz bei einer pathologischen Situation ist häufig so schwach, dass der Therapeut mühelos den Arm herunter drücken kann. Eine erfolgreiche Therapie wird mit einer normalen Kraftantwort des getesteten Muskels beantwortet. Auch der
Arm-Längen-Test am liegenden Patienten wird zur Diagnostik und Therapiekontrolle häufig genutzt.
Die angewandte Kinesiologie beurteilt nicht nur die Strukturen des Körpers, sondern auch den Mineral- und „Energie“-Haushalt eines Patienten. Eine abgewandelte Form dieser Therapie findet sich als Touch for health wieder, bei der auf unterschiedliche Kraftteste von Leitmuskeln therapeutisch mit Hautreizen reagiert wird.
Orthobionomy (Pauls): Es wurde immer wieder versucht, Techniken zusammenzufassen, zu ordnen und besser lehrbar zu machen. Ein weiterer Ansatz ist das von Pauls beschriebene Ordnungssystem der Orthobionomy. Dieses System kommt ohne Manipulationstechniken aus, enthält Ideen von Feldenkrais, psychotherapeutisch Ressourcen orientierte Ansätze und sog. „energetische“ Techniken.
4. Ein häufiges Kranheitsbild
Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD): Bei Funktionsstörungen des Kauapparates können z. T. hartnäckige Beschwerden im Gesicht bestehen. So ist z. B. der atypische Gesichtsschmerz sehr typisch für eine craniomandibuläre Dysfunktion. Auch können Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule oder im übrigen Körper dadurch getriggert werden. Eine genaue Analyse im Spannungsfeld der Muskeln, der Gelenke, des Bisses, aber auch der Haltung und psychischer Anspannungsmuster hilft, eine CMD erfolgreich zu behandeln. Eine Zusammenarbeit mit Ihrem Zahnarzt ist hier wünschenswert.